Kann der legale Verkauf von Cannabis in Apotheken den Schwarzmarkt eindämmen? Das will der Kreis Groß-Gerau in einem Forschungsprojekt testen, an dem jeder über 18 Jahren teilnehmen kann.
Der Kreis Groß-Gerau will Modellregion für die legale Abgabe von Cannabis in Apotheken werden. Bisher darf nur medizinisches Cannabis auf Rezept an Patientinnen und Patienten ausgegeben werden. Nun sollen Apotheken innerhalb einer auf fünf Jahre angelegten Studie sogenanntes Konsumcannabis an registrierte Versuchspersonen verkaufen.
Ziel ist herauszufinden, wie sich das Konsumverhalten entwickelt, wenn Menschen die Möglichkeit haben, Cannabis legal und in guter Qualität zu erwerben, und welche Auswirkungen das auf den Schwarzmarkt hat, erklärt Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, die die Studie wissenschaftlich leitet. Federführend beteiligt ist außerdem die Firma Cansativa aus Mörfelden-Walldorf (Kreis Groß-Gerau), die seit 2017 Medizinalcannabis an rund 2000 Apotheken bundesweit vertreibt.
Cannabis-Modellversuch einmalig in Deutschland
Das Projekt unterscheide sich von Modellideen anderer Kommunen, etwa Frankfurts, dadurch, dass die Abgabe in Apotheken statt in bestimmten Läden erfolgen soll, so Haucap. Auch sei man nicht auf die gesundheitlichen Auswirkungen fokussiert, sondern untersuche ökonomische Aspekte – etwa Möglichkeiten einer Besteuerung oder wie viele Arbeitsplätze entstehen könnten. „Es wäre das erste Mal, das dies in Deutschland erforscht wird“, so der Ökonom. Deshalb blicke das Ausland mit Interesse auf die Ergebnisse.
Die Geschäftsführer der Firma Cansativa Benedikt (li) und Jakob Sons.
Am Donnerstag wurde im Kreishaus Groß-Gerau vor der Presse eine gemeinsame Absichtserklärung zwischen Kreis, Universität und Cansativa unterzeichnet. Im Januar soll der Antrag für das Projekt bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung eingereicht werden. Man sei zuversichtlich, dass möglicherweise noch vor der Bundestagswahl am 23. Februar eine positive Antwort eingehe, sagte Erster Kreisbeigeordneter Adil Oyan (Grüne). Vorausgegangen war ein Beschluss des Kreistags mit dem Ziel im Zusammenhang mit der Legalisierung von Cannabis Ansätze für Anbau, Verkauf und Regulierung zu erarbeiten. Schon jetzt sei der Kreis mit dem Start-up Cansativa bestens aufgestellt. So könnten vorhandenes Know-how und existierende Strukturen genutzt werden. Außerdem mache das Zusammenwirken von ländlichen und urbanen Strukturen den Kreis quasi zu einer „Miniaturausgabe Deutschlands“, heißt es in dem Beschluss.
Cannabis-Versuch
In den 14 Kommunen des Kreises Groß-Gerau gibt es etwa 55 Apotheken. Wie viele am Projekt teilnehmen, ist unklar. Im Kreis leben 281 712 Menschen.
Auch Frankfurt hat ein Modellprojekt zur regulierten Abgabe von Cannabis auf den Weg gebracht. Über fünf Jahre sollen in Fachgeschäften Cannabisblüten und andere Tetrahydrocannabinol(THC)-haltige Produkte verkauft werden. Die Genehmigung steht aus. Auch Wiesbaden plant einen Versuch mit Abgabe über Apotheken.
Cannabis für medizinische Zwecke unterscheidet sich nicht von Konsumcannabis. Es gibt aber auch Medizinprodukte nur mit angstlösendem und entzündungshemmendem Cannabidiol (CBD), ohne stimmungsaufhellendes THC. cka
Modellversuch: Probanden müssen 18 sein
Zwar ist das Projekt noch nicht genehmigt, Cansativa-Geschäftsführer Jakob Sons sieht aber bereits „ein Interesse bei Apotheken im Kreis, am Projekt teilzunehmen“, wie er sagte. Co-Geschäftsführer Benedikt Sons betonte, man sei das einzige Unterenehmen, das Cannabis aus deutschem Anbau abgeben dürfe. Man habe 400 verschiedene Produkte im Sortiment, die strengen medizinischen Standards unterlägen. Der Versuch soll auch zeigen, inwiefern diese Standards für den Verkauf von „Freizeitcannabis“ eingehalten werden müssten.
Die Preise werden etwas höher als auf dem Schwarzmarkt liegen. Dafür werde das Cannabis aber „ohne Streckmittel sein“, sagt Haucap. Oft sei es mit Pestiziden oder Blei belastet. Auch sollen Sorten wie auf der Straße erhältlich angeboten werden.
Um an der Studie teilzunehmen, müssen sich Konsumierende digital registrieren und können dann Cannabis bis zur erlaubten Menge in der Apotheke erwerben, erklärt Katanja Kurth-Grieser, Leiterin der Cansativa-Rechtsabteilung. Voraussetzung sei, dass man mindestens 18 Jahre alt ist und im Kreis Groß-Gerau lebt. Auch müssten regelmäßig Angaben zum Konsumverhalten gemacht werden. Diese Daten würden anonymisiert an die Universität weitergeleitet.
Die Teilnehmerzahl ist nicht begrenzt. Haucap hofft auf eine drei- bis vierstellige Zahl. Eine Herausforderung dürfte werden, Interessierte zu finden. Denn für THC-haltige Substanzen dürfe nicht geworben werden, so Jakob Sons. Deshalb müsse die Information über das Projekt sehr wissenschaftlich verbreitet werden.
(Quelle: Gras aus der Apotheke: Kreis Groß-Gerau plant Modellversuch)